Von Türklinken, Steinen und „echten“ Funden

Was findet man bei einer archäologischen Feldbegehung? Bei rauen Temperaturen um den Nullpunkt und leichtem Nieselregen startete Anfang März die archäologisch-historische Wanderung in und um Rötha – das Highlight des Tages: Spurensuche am mittelalterlichen Burgwall Groitzschberg.
Veranstalter der Tour für jedermann waren die Archäologische Gesellschaft in Sachsen (AGiS) und der Röthaer Förderverein.

Rötha, Auwald am "Fuchsberg" mit Flusslauf der Pleiße © burgspion.de 2016

Rötha, Auwald am „Fuchsberg“ mit Flusslauf der Pleiße © burgspion.de 2016

Auch wenn sich mancher wohl insgeheim eine andere Jahreszeit für die Tour wünschte, wurde er mit wunderbaren Eindrücken auf dem Rundweg durch die alte Auenlandschaft – oder besser dem, was davon übrig ist – belohnt: zuerst durch den Auwald mit duftendem Bärlauch und der blassen Ahnung, wie es hier wohl vor Jahrhunderten ausgesehen haben mag; vorbei an den verschliffenen Resten des slawischen Burgwalles am Fuchsberg und weiter entlang am Stausee, der vor gut 70 Jahren die alte Pleißenaue völlig veränderte (das alte Messtischblatt von 1876 zeigt noch ältere Zustände); schließlich an der einstigen Obstweinschänke die Rodelbahn hinauf zum Burgwall Groitzschberg.

Unter den Rundweg-Stationen war es diese eine am Groitzschberg gewesen, die den Zeitpunkt der Tour bestimmt hatte: Denn ausschließlich in der vegetationsarmen Jahreszeit – meist zwischen Ende November und Anfang März – und wenn zudem kein Schnee liegt und Wald und Feld begehbar sind, gibt dieses Areal einen Teil der Geheimnisse seiner Vergangenheit preis. Diesmal richtete sich das „archäologische Adler-Auge“ (Zitat eines solchen) auf das Feld unmittelbar östlich der Wallanlage; eine alte Flurkarte nennt es Die Elf Acker am Groitzschberge. Hier also sollte die Feldbegehung vonstatten gehen.

Doch was ist eine Feldbegehung? Im Fachjargon auch Geländeprospektion genannt, ist sie eine traditionelle Arbeitsmethode der archäologischen Landesaufnahme. So weit so gut – denn was hier anspruchsvoll klingt, ist zunächst von der Sache her recht einfach: Menschen gehen mit offenen Augen durch die Landschaft; dabei sammeln und dokumentieren sie Funde, die an der Oberfläche mit bloßem Auge sichtbar und aufzuheben, sprich: zu bergen sind. Allerdings kann ich nicht alles behalten, was ich bei Wanderungen durch die Natur oder im heimischen Garten am oder im Boden finde – dies regeln Gesetze auf Länderebene wie etwa das Sächsische Denkmalschutzgesetz (SächsDSchG 22.01.1993). Bei ihrem Tun werden die Denkmalschutzbehörden von unzähligen ehrenamtlich Beauftragten unterstützt. Für unsere Begehung waren wir mit der AGiS und somit auch Mitarbeitern vom Archäologischen Landesamt fachlich und juristisch auf der sicheren Seite. Schließlich wurde noch das Einverständnis des Eigentümers der Flurstücke eingeholt, seinen Acker zu diesem Zweck zu betreten.

Was hat die Begehung gebracht? Natürlich den Spaß am Suchen und Finden und dies trotz anhaltender Kälte, weswegen die Begehung dann auch weniger systematisch ablief; aber es gab auch Fundstücke und jede Menge guter Gespräche über diesen Ort im Gestern und Heute. Bezüglich der Keramikfunde als den typischen Lesefunden geht es zuerst meist darum, den Stein von der Scherbe zu unterscheiden: die Bruchstellen oder eine auffallend glatte Innenwand sind gute Anzeiger, dass es sich um Keramik aus älterer Zeit handeln kann. Häufig ist die ursprüngliche Färbung eines solchen Fundes erst nach dem Waschen (und Bürsten:)) genauer zu erkennen. Die anschließende Datierung der Funde und Befunde und ihre Dokumentation sind dann Aufgabe der Archäologischen Denkmalinventarisation.

Den überwiegenden Teil der Funde vom Groitzschberg – die seit Jahrzehnten auf dem meist durchgängig genutzten Acker aufzulesen sind – gehören zur sog. blaugrauen oder auch schwarzgrauen Ware aus dem 13./14. Jahrhundert. Dass das Areal schon im 11./12. Jahrhundert besiedelt war, zeigt die (an diesem Tag nur vereinzelt gefundene) spätslawische Keramik, die sich zwischen die blaugraue mischt. Zum Schmunzeln, aber auch Nachdenken lädt der Fund einer Türklinke ein: typischer Siedlungsmüll des 20. Jahrhunderts, den achtlose Zeitgenossen mitunter in Wald und Flur abwerfen. – Aus älteren Begehungen dieser Ackerfläche und der unmittelbaren Umgebung sind außerdem Funde aus Jungsteinzeit (vor ca. 7.000 Jahren) und Bronzezeit (vor ca. 3.000 Jahren) bekannt. Mit zahlreichen weiteren Fundstellen weisen sie das Gebiet um Rötha als begehrtes Siedlungsareal bereits vor Jahrtausenden aus (dies zeigt auch eine kleine Dauerausstellung im Museum der Stadt Borna).

Doch zurück zu unserer Fundstelle: Welche Aussagen erlaubt der Befund? Die Konzentration der Scherben nahe der Wallanlage legt die Deutung einer zur Burg gehörigen Siedlung im Hoch- und Spätmittelalter nahe. Bemerkenswert ist, dass keine jüngeren Siedlungsfunde als diese festzustellen sind. Wurde das Dorf etwa schon im 14. oder frühen 15.  Jahrhundert aufgegeben? Und wie war sein Name? War es Wuschwitz oder Wudeschitz (1461 wüst), dessen Lage an verschiedenen Stellen vermutet wird (HONB 2, S. 618; dHOV)? Oder waren es Dorf und Vorwerk Groitzschen, wie zwei Belege des 16. Jahrhunderts und der Bezug zum Burgennamen Groitzschberg (slawisch grod’c = ‚Burg, befestigter Ort‘) nahelegen?

Unbestritten ist zumindest die enge Beziehung der wüsten Dorfstelle zum Groitzschberg. Die zweiteilige befestigte Anlage wurde archäologisch bislang nicht untersucht, lediglich Lesefunde stammen aus derselben Zeit wie das Dorf. Vermutlich war die Burg lokaler Herrschaftsmittelpunkt bzw. Sitz eines Adligen und seiner Familie. Ob hierfür die Herren von Rötha (1127-1171) in Frage kommen, bleibt nach gegenwärtigem Kenntnisstand offen. Vom Turmhügel, dem Kern der Anlage, bestand in früheren Zeiten Sichtkontakt zur mittelalterlichen Wasserburg in Trachenau (1962-1965 wurde der Ort devastiert).

Ein Gedanke zum Schluss: Nicht nur der Groitzschberg verdient auch in Zukunft das Interesse der archäologischen und historischen Forschung. Viele weitere Landschaftsobjekte und Areale in und um Rötha – das sich gleichsam einer alten Siedlungsinsel in die rekultivierte Tagebaulandschaft schiebt – gilt es zu entdecken und zu erhalten. Auf geht’s!

 

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Eine Antwort auf Von Türklinken, Steinen und „echten“ Funden

  1. Liebe Frau Baudisch,

    herzlichen Dank für die tolle Exkursion und die ausgesprochen informative Nachlese, die zur weiteren Beschäftigung mit Rötha und Umgebung geradezu einlädt! Die AGiS kommt sicherlich bald wieder einmal…
    Ein kleiner Hinweis sei aber erlaubt: Das Bürsten der Funde ist so eine Sache, denn bei sehr alter Keramik kann es dabei schon mal passieren, daß man dann statt einer Scherbe plötzlich nur noch Krümel in der Hand hält 🙂

    Herzliche Grüße und bis bald,
    Rebecca Wegener

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