Braunkohle, Zwiebeln – und was noch?

Mit dem Start ins neue Jahr 2016 erwacht der Burgspion, auf der Spur nach neuen (Ein-)Sichten und (Er-)Kenntnissen … Und so soll meine diesjährige Grußkarte zum neuen Jahr am Anfang stehen: im Blick eine Kleinstadt im Leipziger Südraum, inmitten einstiger Braunkohlefelder mit Tagebauseen, Feldern, Birkenwäldchen und Industrieanlagen; oft wie verloren dazwischen Zeugen aus älterer Siedlungszeit.

Fotos S. Baudisch 2015 / Gestaltung Elisabeth Baudisch 2015

Wer jetzt nicht schon den Namen der Stadt vor sich hin brummelt, dem sollen Text-Schnipsel zu den Bildern das Rätsel lösen helfen.

Die romanische Kunigundenkirche – als dreischiffige Pfeilerbasilika am Rande der Wyhraaue errichtet und außerhalb der späteren Stadtmauern gelegen – ist ein bemerkenswerter Backsteinbau aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Kirchen mit vergleichbarem Mauerwerk sind heute noch in der Region (und darüber hinaus) zu finden: so etwa die Georgenkirche in Rötha (Außenmauern und Westbau), die ehemalige Ägidienkirche in Groitzsch (Westturm) oder die Augustinerchorherren-Stiftskirche in Altenburg (auch ‚Rote Spitzen‚ genannt), aber auch die Dorfkirche in Hain (1968-71 durch Braunkohleabbau devastiert).

In ihrem Ursprung gleichfalls romanisch, doch dann zur spätgotischen Hallenkirche erweitert, erhebt sich die Stadtkirche St. Marien über den Dächern der Innenstadtviertel. Seit dem Spätmittelalter wurde sie mitunter auch Katharinenkirche genannt. Ihre breite Westturmfront ist bei zahlreichen Stadt- und Dorfkirchen im Umland verbreitet. – Ein Tipp für Besucher: Auf der Westseite des Kirchplatzes steht eine Luther-Skulptur, deren künstlerische Besonderheit der Betrachter vor Ort herausfinden darf.

Im Schutz von St. Marien, an deren Südseite, gehört seit einigen Jahren nun ein dritter Kirchenbau zur Stadt: Die kleine Emmauskirche aus Heuersdorf – eine Saalkirche mit eingezogenem Chor. Im Oktober 2007 wurde sie aus dem inzwischen abgebaggerten Ort in einem Stück, vom Fundament bis zum Dach mit dem Türmchen, hierher verbracht – eine bislang einzigartige Geschichte.

Der Gasthof „Zum Goldenen Stern“ ist eines der ältesten überlieferten und einst wohlhabendsten Häuser am Markt. Seine erste Nennung führt in das Jahr 1490 zurück. Ob dies ein Teil des ‚Stadtschlosses‘ der wettinischen Landesherren im Mittelalter war, bleibt eine der spannenden Forschungsfragen. Jedenfalls lässt es sich heute in den alten Gemäuern gut schmausen, heiraten oder tagen.

Als einziges der einst vier spätmittelalterlichen Stadttore ist das Reichstor erhalten. Diesen Umstand verdankt es wohl seinem grundlegenden Umbau durch den Dresdner Architekten Johann Christoph von Naumann im Jahr 1723. Seitdem hat sich das Reichstor zum Wahrzeichen der Stadt gemausert. Heute wird es vom Stadtmuseum genutzt; dieses zeigt übrigens noch bis 24. April 2016 die sehenswerte Sonderausstellung Dorfgeschichte(n), Archäologie aus Breunsdorf, Großhermsdorf & Heuersdorf.

Für den Burgspion bleibt die große Frage nach der Burg bzw. den Befestigungen in der Stadt, etwa denen des Markgrafen oder auch denen kleiner adliger Herrschaftsträger.
Nun, wie lautet der Name der Stadt? Im Volksmund hat sich die Namenvariante Dswiwlborne erhalten, die auf den hier stark verbreiteten Zwiebelanbau verweist.

 

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9 Antworten auf Braunkohle, Zwiebeln – und was noch?

  1. Sehr geehrte Frau Dr. Baudisch, beim gestrigen Vortrag im Bornaer Goldenen Stern konnte ich Ihren interessanten Ausführungen zur Stadtgeschichte Borna’s aufmerksam zuhören, da es das vorhandene Wissen bereichern konnte. In Erfahrung durch meine zwei Jahrzehnte durchgeführten Stadt- und Gästeführungen in Borna muss ich immer wieder erfahren, dass gerade Einheimische immer wieder erstaunt sind welche Geschichte und Geschichten Borna zu bieten hat. Aktuell das Thema der Bornaer Musikinstrumentenbau! Glücklicher Weise bleibt die Zeit und damit die Geschichte ja nicht stehen! Mit neuen „Köpfen“ ändert sich die Sichtweise auf unsere Stadt und damit auch die Chance neues zu beginnen oder fortzuführen (Kreutzbachorgel-Tage 2019). Auch die Wiederbelebung unserer 1999 durch die AG BTT im FV KL) kreierten drei Bornaer Symbolfiguren wird die Aufmerksamkeit für die Stadt Borna über die Stadtgrenzen hinaus tragen. Das digitale Projekt kann für alle Interessenten ein gutes „Nachschlagewerk“ sein – jedoch sitzt uns dabei die Zeit im Nacken! Ihnen und Ihren Partnern wünsche ich weiterhin viel Erfolg bei der Spurensuche!

  2. Hallo Herr Spies! Ja, die „Kunigunde“ ist schon eine spannende ‚Erscheinung‘: von ihrem Ursprung her (denn sie ist sicher älter als der erste romanische Steinbau), als Bauwerk (auch mit ihren späteren Veränderungen, deren Kenntnis lückenhaft ist) und natürlich mit ihrem Patrozinium sowie allen Deutungsvarianten, mit den historischen und topographischen Bezügen … Ein Thema, das die Bornaer Stadtgeschichtsforschung wohl bald wieder aufgreifen wird:)) Und natürlich sind Interessierte eingeladen mitzudenken. – Adolf Wenck hat Großartiges zur Erschließung der archivalischen Überlieferung Bornas geleistet, zumal nicht wenige der von ihm erfassten Quellen heute nicht verfügbar sind. Schon deshalb verdienten es die Wenck’schen Arbeiten etwa auch digitalisiert zu werden, es wäre ein erster Schritt. Danke für Ihre Zeilen!

  3. Wolfgang Spies, Halle/S. 5. Februar 2016 um 14:15

    Einige Anmerkungen auf dieser bemerkenswerten Seite zu Borna im Mittelalter:
    Der Zeitraum zwischen „Kunigunde“ (deren Patrozinium nicht in das 12. Jahrhundert passt) und Reformation ist wenig erforscht und noch weniger bekannt, von einigen wichtigen Beiträgen über die Frühgeschichte der städtischen Siedlung(en) abgesehen. Die Gegend zwischen Zwenkau und Kohren bis Lausick kommt aber schon in den „vorstädtischen“ Quellen relativ häufig vor (denkt man an Merseburg, Pegau, usw.). Die historische Lücke hat ihren Grund, mit einiger Mühe sind aber Details der Geschichte der Stadt im 13. und 14. Jahrhundert rekonstruierbar, wobei die Anfänge der Stadtverfassung wohl im Dunkeln bleiben. Für die spätere Zeit wäre es zunächst lohnend, einmal die Arbeiten von Adolph Wenck (um 1900) in eine moderne Form zu bringen, denn sie enthalten – quellengestützt! – viel Interessantes über Wirtschaft, Rat und Zoff mit den Nachbarn (um Geld, Gut und Bier…); der damalige „Oberlehrer“ des Realgymnasiums ist weitgehend vergessen.
    Es wäre also „Von Abtei bis Zwiebelhaus“ noch einiges zu sagen…
    Mit Grüßen!

  4. Liebe Gabi, hab Dank für Deine Zeilen. Der Stadtbrand war mir nicht so im Bewusstsein; was danach neu- bzw. wiederaufgebaut wurde, prägt an so mancher Stelle noch heute das Stadtbild.

  5. Danke, liebe Frau Engelmann! Den Weber-Reim kannte ich bislang noch nicht;)) Ja, es ist viel zu tun, Sie haben es so trefflich auf den Punkt gebracht. Ich bin neugierig, welche lang verborgenen Schätze der Stadtgeschichte sich uns noch auftun werden …

  6. Annemarie Engelmann 4. Februar 2016 um 10:21

    Vor fast 80 Jahren reimte der Nestor aller jüngeren Heimatforscher, Oberlehrer Robert Weber: Wahrlich, in Borna ist mehr zu holen, als braune Zwiebeln und schwarze Kohlen! Dieses „mehr“ gilt es jetzt zu benennen, weil Zwiebeln und Kohle uns verlassen haben: eine reiche Stadtgeschichte – eine Burg, verborgen in der Wyhra-Aue – bauliche Juwelen (Kunigundenkirche, Hornsches Haus u.a.) – einmalige Kunstwerke (spätgotischer Schnitzaltar des Meisters HW u.a.) – bedeutende Persönlichkeiten der Vergangenheit und vieles andere mehr. Packen wir’s an! Wer macht mit? Danke, lieber Burgspion!

  7. Gabriele Kämpfner 3. Februar 2016 um 09:29

    Danke für diese Liebeserklärung an unsere Stadt! Man spürt Dein Gefühl im auf die eintausendjährige Vergangenheit gerichteten Blick und dankt für die Erläuterung der hinterlassenen Spuren – auch des spitznamengebenden Feldgemüseanbaus auf fruchtbarem Boden – obwohl die braunkohlenindustrielle Geschichte der letzten zweihundert Jahre viel stärker im Bewußtsein der Mehrheit ist.
    PS: Der Neuaufbau des Reichstores ist seinem desolaten Zustand und vermutlich den zahlreichen barocken Neuerrichtungen in der Reichsstraße infolge des großen Stadtbrandes von 1668, der hinter dem Rathaus beginnend sich hauptsächlich in nordöstlicher Richtung ausgebreitet hatte, zu verdanken. Die anderen drei Haupttore wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgetragen.

  8. NEIN!! Lieber Herr Ehrhardt, es ist nicht Bad Lausick ;))

  9. Schön das Sie Bad Lausick so ehren!#
    Zur Burg – Schlesinger stellt einen Zusammenhang mit dem Kloster in Pegau her und vermutet eine Gründung aus „wilder Wurzel“ wäre also eine Stadt ohne Burg – aber mit starken Pegauer Einfluss denkbar? Pegau war vermutlich als Reichskloster für das Pleiseland geplant. Ich würde die Schutzfunktion / ausübung der Vogteirechte des Kaisers mit einem der Ministerialensitze im Umland in Verbindung bringen. Ich denke – das an diesem Punkt Sie sich deutlich besser auskennen als ich.

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