Mein Ortsname

Was bedeutet mein Ortsname?

Wie alt ist er und wie alt ist der Ort, ist die Stadt, in der ich wohne?

Fragen, die nicht neu sind und doch immer wieder aufs Neue gestellt werden. Insbesondere Feierlichkeiten, die die Gründung und das meist hohe Alter eines Ortes würdigen, rücken diese Fragen zyklisch ins Bewusstsein  – vermeintliche und tatsächliche Gründungsdaten werden bemüht und Erklärungen hierfür geliefert.

Doch welche Ersterwähnung ist die richtige?

Welche Ortsnamendeutung ist die tatsächlich zutreffende?

Antworten geben zwei Wissenschaftsdiziplinen: die Namenforschung oder Onomastik und die Landesgeschichte der jeweiligen Region. Während die Namenforschung etwa Herkunft, Bedeutung und damit auch die historische Überlieferung von Eigennamen – und zu diesen gehören die Ortsnamen – zusammenführt, versucht die Landesgeschichte die Frage zu klären, welcher einzelne der historischen Quellenbelege nun tatsächlich diesem oder jenem Ort zuzuweisen ist.

Das Beispiel Sachsen zeigt, dass von etwa 6.000 Orten, die seit dem Mittelalter mit einem eigenen Namen überliefert sind, gut jeder dritte Ort einen Namen besitzt, der allein in Sachsen mindestens noch ein weiteres Mal in dieser oder einer sehr ähnlichen Form zu finden ist. Spitzenreiter unter den häufigen Ortsnamen sind Orte wie Naundorf (43 Orte), Neudorf (18) und Neundorf (7), für die es schon einige Sachkenntnis erfordert, um historische Belege wie das zahlreich vorkommende Nuendorf auch zum „richtigen“ Ort zu stellen. Und nicht nur Dörfer, sondern auch bekannte Kleinstädte tragen Ortsnamen, die in Sachsen mehrfach vorkommen, etwa Neukirchen (7), Borna (6), Stolpen (5), Auerbach (4) oder Mittweida (3) und Mügeln (3).

Erste Hilfe für alle an Ortsnamen Interessierten bietet das Historische Ortsnamenbuch von Sachsen. Das Sprachlexikon, das zu jeder historischen Namensform auch die archivalische Quelle verzeichnet, ist in jeder größeren wissenschaftlichen Bibliothek zu finden. Ergänzend dazu empfiehlt sich der Blick in das Digitale Historische Ortsverzeichnis von Sachsen. Als zugehöriges Sachlexikon stellt es neben den schriftlichen Erstbelegen auch vielfältige Daten zu Siedlung, Bevölkerung und Verwaltung, zu Herrschaft und Kirche seit dem Mittelalter bereit.

Neben Sachsen verfügen zahlreiche andere Länder und Regionen im deutschsprachigen Raum über Ortsnamenbücher und historisch-topografische Ortslexika, wobei der Bearbeitungsstand noch lange nicht flächendeckend ist. Somit schließt das jüngst erschienene Deutsche Ortsnamenbuch eine gewisse Forschungslücke: Für circa 3.000 Namen von Orten mit über 7.500 Einwohnern aus dem gesamten heutigen und ehemaligen deutschen Sprachgebiet (Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Belgien, Luxemburg, Italien, Frankreich, Tschechien, Polen, Russland, Litauen) bietet das Kompendium historische Belege und Erklärungen zur Entstehung der Ortsnamen.

Doch wenngleich auch Namenbücher und Ortslexika vorliegen und stetig neue hinzukommen, befindet sich die Erforschung der Ortsnamen und ihrer Überlieferung in ständigem Fluss, bleibt die Zahl der Hypothesen und ungelösten Fälle, die einer Klärung bedürfen, weiterhin groß. Dies zeigen beispielhaft neue Erkenntnisse zur frühen Überlieferung des Ortsnamens Leipzig, publiziert von Hans Walther und Karlheinz Hengst in Namenkundliche Informationen, Jahrgang 2009. In loser Folge möchte ich hier künftig Fallbeispiele aus dem Ortsnamenschatz Sachsens vorstellen, die kontrovers behandelt werden.

 

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Eine Antwort auf Mein Ortsname

  1. Ortsnamen sind wichtig, fast noch wichtiger finde ich Flurnamen. Flurnamen geben Auskunft über das Leben der Menschen in der Vergangenheit vor Ort. Oft erschliessen sich so Teile der Lebensrealitäten unserer Vorfahren. Ein Beispiel aus dem linkselbischen Elbsandsteingebirge:
    Die heute unverständliche Bezeichnung „Gebackenebirnstraße“ entpuppt sich bei Betrachtung alter Sprachvarianten als „gepackte“ (d.h. befestigte!) Pirnsche (nach Pirna führende) Straße. Es wird deutlich, dieser heutige Waldweg war einmal eine überregionale Straße! Ein Blick auf die Torpographische Karte zeigt: dieser Weg verlässt an der Stelle mit der geringstmöglichen Steigung des Tales Cunnersdorf und versucht solange als möglich sich auf der Höhe zu halten – verständlich wenn man an schwerbeladene Fuhrwerke denkt! Letztenendes ist man bei einer Verzweigung des Weges von Dresden nach Prag angekommen. Die Lage des alten Gasthofes und der alten Schmiede in Cunnersdorf erklären sich widerum zum Teil aus der Lage zu dieser Straße.

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